Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas)
Lasst uns weiter streifen durch unseren Körper, auf der Suche nach alten Weisheiten, Verknüpfungen mit Mythologien, Geschichte, längst vergessenen Betrachtungen in Verbindung mit moderner Physiologie und Medizin.
In der hinduistischen Mythologie wird die Bauchspeicheldrüse dem Gott Shiva zugeordnet und hat sowohl zerstörerische als auch erneuernde Kräfte. „Ohne Zerstörung kein Neubeginn, ohne Reue keine Gnade…“
Wir haben das leistungsstarke und beeindruckende Organ Leber, den „General“, den Taktgeber des Zuviel und Zuwenig, den Unterscheider an Giftigem und Ungiftigem, Produzenten und Ausscheider, den höchst Empfindsamen, dem die Beinchen einer Laus zu schaffen machen, aber im Gegenzug keinerlei Schmerzen kennt und ein unglaubliches Regenerationspotential hat, bereits kennengelernt. Gefolgt von der unterschätzten Galle, die Hand in Hand mit der Leber arbeitet, die Schweres, Fettes und Unverdauliches hilft auszuscheiden, die als Ventil für das „Zuviel“ agiert, für unterdrückte Wut und Bitterkeit und einem infolge von eingeschlossenen, nicht zugelassenen Gefühlen schon einmal „hoch kommen kann“. Zu gallig, zu fett, zu belastend, kann der Gallensaft auch zu Gallensteinen auskristallisieren, die sehr schmerzhafte Koliken verursachen können, so bleibt die Überlegung, ob es nicht im richtigen Maße Sinn macht, „Gift und Galle zu spucken“.
Aber heute wollen wir uns verabschieden von Wut, Zorn, heftigen Gefühlsausbrüchen und Bitterkeit, heute wollen wir uns zuwenden „der Süße des Lebens“, dem Wunsch nach einem wohligen Gefühl der Liebe und Geborgenheit.
Die erste Süße unseres Lebens vermittelt gleichzeitig Geborgenheit
Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) vereinigt in sich zwei gesonderte funktionelle Systeme:
1. Bildet sie in drüsigen Epithelien den Pankreassaft und sondert diesen über einen Ausführungsgang in den Dünndarm (exokrine Funktion) ab,
2.produzieren andere Zellverbände, die sogenannten Langerhans’schen Inseln, Hormone, die direkt in die Blutbahn gelangen (endokrine Funktion). Die Langerhans’schen Inseln werden oft als Inselorgan bezeichnet, deren Hauptmasse die B-Zellen, die das Insulin produzieren darstellen. Den kleineren Anteil bilden die A-Zellen, die für die Produktion des Glukagons zuständig sind. Insulin und Glukagon sind entscheidend an der Blutzuckerregulation beteiligt.
Die normale Glucosekonzentration im Blut beträgt 0,6-1g/l, die bei Kohlenhydrat-Zufuhr mit der Nahrung vorübergehend stark ansteigt, worauf es zu einer vermehrten Insulinausschüttung kommt. Ebenso erhöht wird der Blutzuckerspiegel unter dem Einfluss von Glukagon und Adrenalin durch Freisetzung von Glucose aus Depots. Cortisol steigert gleichfalls die Blutzuckerkonzentration. Eine Hypoglykämie liegt vor, wenn der Blutzuckerspiegel unter 0,5g/l absinkt. Dazu kann es entweder durch unsachgemäße Medikation (exogen) von Insulin bzw. oralen Antidiabetika, oder durch Inselzelltumore und andere schwere Erkrankungen (endogene Hypoglykämie) kommen. Rascher Blutzuckerabfall führt auf Grund der sympathischen Gegenregulation (Adrenalinausschüttung) zu Unruhe, Angst, Zittern, Schwitzen und Herzklopfen. Bei einem langsamen Abfall fehlen diese Warnsymptome, im Vordergrund stehen hier zentralnervöse Störungen wie Verwirrtheit, Sprach- und Sehstörungen. Weiteres Absinken des Spiegels (meist infolge einer Insulinüberdosierung) führt zu einem hypoglykämischen Koma mit Pupillenerweiterung, Muskelstörungen und Schock.
Die sogenannte Zuckerkrankheit (diabetes mellitus) ist stark verbreitet
Die häufigste und bedeutendste Stoffwechselerkrankung ist allerding der Diabetes mellitus, bei dem ein absoluter Insulinmangel (wenn die Bauchspeicheldrüse nicht mehr in der Lage ist, Insulin zu sezernieren) oder ein relativer Insulinmangel vorherrscht (wenn die Insulinproduktion den Erfordernissen nicht angepasst werden kann, die Insulinwirkung an den Zielzellen abgeschwächt wird, oder die Zahl der Insulinrezeptoren an den Erfolgsorganen vermindert sind). Unterschieden wird zwischen Typ I Diabetes und dem wesentlich häufiger vorkommenden Typ II, früher auch juveniler und Erwachsenen-Diabetes genannt. Der Unterschied liegt darin, dass beim Typ I der Insulinmangel rasch zunimmt, bis schließlich kein Insulin mehr ausgeschüttet wird, daher ist die Insulinsubstitution unumgänglich. Beim Typ II, ist die Progredienz wesentlich langsamer, auch besteht meist nur ein relatives Insulin-Defizit.
Außer für die endokrine Insulin und Glukagon Produktion zeigt sich die Bauchspeicheldrüse noch für die exokrine Pankreassaftproduktion von täglich ca. 2l verantwortlich. Dieser Saft besitzt einen pH-Wert von 8,0-8,4 und neutralisiert mit der ebenfalls alkalischen Galle den sauren Magensaftinhalt im Duodenum. Die Produktion der Enzyme bzw. der Proenzyme des Pankreassaftes erfolgt in den Acinuszellen. Die Regulation der Pankreassekretion läuft nerval und humoral ab. Um die Nahrung in resorptionsfähige Bruchstücke zu spalten, enthält der Saft der Bauchspeicheldrüse Bestandteile zur Kohlenhydrat, Eiweiß,- und Fettverdauung. Quantitativ sowie funktionell ist Trypsin das wichtigste Verdauungsenzym des Pankreas. Alle proteolytischen Enzyme werden als inaktive Vorstufen in den Acinuszellen synthetisiert und erst im Darm durch Spaltung in die aktive Form aktiviert, damit nicht eine Selbstverdauung der Bauchspeicheldrüse, die sich klinisch als akute Pankreatitis manifestiert, folgt. Diabetes mellitus, akute und chronische Pankreatitis sowie das meist lang unbemerkte Pankreaskarzinom sind die häufigsten und schwerwiegendsten Erkrankungen dieses vielseitigen und wenig bekanntem Organ.
Der Pankreas (griechisch pan=alles; kreas = Fleisch) wurde trotz seinen herausragenden Leistung für unsere Verdauung und Verantwortlichkeit des lebensnotwendigen stabilen Blutzuckerspiegels erst spät wirklich entdeckt, lange verkannt als „Magenkissen“, „Wampenbries“ oder „Magenrucklein“, nicht mit Volksweisheiten bedacht, geschweige denn in Mythen und Legenden erwähnt. Nur Eudemos (300v.Chr.) erahnte bereits die Bestimmung, als er feststellte: „Es fließt aus dieser Drüse eine dem Speichel ähnliche und zur Beförderung der Verdauung bestimmte Flüssigkeit in den Darmkanal.“ Andere schrieben der Bauchspeicheldrüse den Sitz des Wechselfiebers, der Melancholie und der Hypochondrie zu.
Dieses Organ ermöglicht uns die Süße des Lebens, die Üppigkeit, die opulenten Feste unseres Daseins zu genießen und voll auszukosten, es verarbeitet Genüsse und versucht die Balance im Körper wiederherzustellen. Machen wir uns allerdings vor, falls wir von allem noch ein bisschen mehr haben könnten, würde sich die Befriedigung in die Unendlichkeit ausweiten und uns dann erst Erfüllung schenken, so befinden wir uns in der Anfangsspirale von Sucht (egal ob Alkohol, Zucker oder Arbeitssucht, …). Diese Vorstellungen halten einen leidvollen Kreislauf von Selbsttäuschung und Selbstzerstörung aufrecht, sodass nach Abflauen des Genusses eine Leere entsteht, die wir nun wieder von vorne füllen müssen.
Zucker steht für materialiserte Liebe
Die Bauchspeicheldrüse könnte symbolisch auch in Verbindung mit emotionalen und geistigen Dingen stehen und verhilft uns dazu, die Süße des Lebens anzunehmen und zu verdauen. Verspürt man starke Lust auf Zuckriges, ist dies vielleicht die Sehnsucht nach der Süße des Lebens (vgl. dazu auch den Artikel von Franz Sandmair). Zucker könnte für materialisierte Liebe stehen, demnach der Gusto darauf, dem Wunsch nach Fürsorge, Geborgenheit, Angenommen sein gleichkommt. Wenn dieser „Zuckerspiegel“ nicht ausreichend abgebaut, nicht gänzlich verdaut wird, die Bauchspeicheldrüse nicht mehr richtig funktioniert, wäre es durchaus möglich, dass man sich enttäuscht, abgelehnt, ungeliebt oder verraten fühlt und keine Süße mehr in sich ertragen kann.
In der traditionell chinesischen Medizin (TCM) gehört die Milz- oder Pankreas Energie zum Erdelement (Spätsommer), welches für die stabile Mitte steht und im Zentrum für Stille und Klarheit sorgt. „Eine liebende Mutter umsorgt ihre Kinder und sieht vor, dass diese Liebe, Wärme, Akzeptanz, Zufrieden- und Geborgenheit erfahren.“ Da erscheint es dann bei starker Integration dieser Energie wie selbstverständlich, dass der Mensch weniger gefährdet ist, in Süchte beziehungsweise Extreme abzugleiten, er einen guten Bezug zur eigenen Identität, zum eigenen Körper verspürt und gleichzeitig eine wohlwollende Verbindung und Mitgefühl zu seinen Mitmenschen aufbaut.
Im übertragenen Sinne ließe sich behaupten, der Pankreas sei das Organ der Selbstliebe und damit eine „Lichtdrüse“. Lässt der Mensch Dinge zu lange liegen, vor allem gedankliche, aber auch materielle Nahrung und Emotionen, beginnt der Pankreas sich selbst zu verdauen, nutzt man allerdings die unglaublichen Fähigkeiten dieses Organs, können ungeahnte Gefühle und Gedanken transformiert werden. Die Bauchspeicheldrüse, als Geschwisterorgan der Milz, die die Emotionen, Sorgen und den Kummer trägt, ist ein „Konfliktorgan“, dessen Auftrag darin besteht, Dinge nach außen abzugeben, letztendlich alles, was der Selbstliebe nicht entspricht. Wo keine Selbstliebe existiert, herrscht Selbstzerstörung und als Folge Selbstzersetzung und Selbstverdauung der ICH-Drüse.
Mag. pharm. Ines Demel, Pharmazeutin & Apothekerin in Steyr, Oberösterreich