Das „wissende Feld“ – zwischen Staunen und Struktur
Stell dir vor, du betrittst einen Raum voller fremder Menschen. Du wirst gebeten, dich irgendwo hinzustellen – ohne zu wissen, wen oder was du repräsentierst. Und plötzlich hast du das Gefühl, du willst weinen. Oder fliehen. Oder jemanden umarmen.
Du weißt nichts – und spürst doch alles. Willkommen im sogenannten „wissenden Feld“.
Was ist dieses Feld, von dem alle reden?
In der systemischen Aufstellungsarbeit beschreibt das „wissende Feld“ ein Phänomen, bei dem Repräsentant:innen Zugang zu Informationen bekommen, die sie auf logischem Weg eigentlich gar nicht haben können. Emotionen, Haltungen, Impulse tauchen auf – ohne Erklärung, aber mit verblüffender Passgenauigkeit.
Der britische Biologe Rupert Sheldrake hat dafür in den 1980er-Jahren den Begriff „morphisches Feld“ geprägt. Seine These: Organisierte Systeme speichern und übertragen Muster über sogenannte morphische Resonanz – eine Art kollektives Gedächtnis jenseits der Gene.
Ob das wissenschaftlich haltbar ist, bleibt umstritten. Doch in der Praxis erleben viele Menschen diese Form von Resonanz immer wieder – und unabhängig voneinander.
Was erleben Repräsentanten?
In Aufstellungen passiert oft etwas Ăśberraschendes:
- Jemand fĂĽhlt Traurigkeit, obwohl er gar nicht weiĂź, wen er darstellt.
- Eine andere steht mit dem Rücken zur Gruppe – und sagt später: „Ich wusste einfach: Ich will niemanden sehen.“
- Ein Repräsentant beginnt zu zittern – als das Thema „Kriegsenkel“ zur Sprache kommt.
Das ist kein Theater. Keine Einbildung. Sondern ein körperlich-emotionales Mitschwingen, das in Aufstellungen hochgradig präzise sein kann.
Und was sagt die Wissenschaft?
Es gibt (mindestens) drei Deutungsansätze:
1. Psychologisch: Repräsentant:innen reagieren auf feine Signale – Körpersprache, Tonlage, Raumaufteilung. Unser Unbewusstes ist enorm leistungsfähig.
2. Systemisch-konstruktivistisch: In Aufstellungen entsteht ein symbolischer Raum, in dem Bedeutung verhandelt wird. Wahrheit ist dabei sekundär – Wirkung ist das Ziel.
3. Energetisch-spirituell: Manche Aufsteller:innen glauben an ein reales Informationsfeld, das wie ein unsichtbares WLAN zwischen Menschen wirkt. Beweisbar? Nein. Erfahrbar? Offenbar ja.
Was tun mit diesem Wissen?
Ganz gleich, wie man das Feld nennt – entscheidend ist der respektvolle Umgang damit:
- Ernst nehmen, was sich zeigt – ohne in Mystik zu verfallen.
- Nicht alles glauben, aber auch nicht alles zerreden.
- Repräsentant:innen vorbereiten – und nach der Aufstellung gut begleiten.
Das Feld ist kein Orakel. Aber es kann ein Spiegel sein. Für das, was in Beziehungen wirkt – auch wenn niemand darüber spricht.
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